2021

SCHREIBKICK: Sprache und Klänge

Beitrag zum „The Tempest“-Newsletter 03/2021

Möchte man Texte mit Klängen konzipieren, findet man unter der Rubrik „Tierlautbezeichnungen“ auf Wikipedia eine Liste mit Tieren, mit Hinweisen, wie man ihre Äußerungen nennt, und sogar in einigen Fällen mit Klangbeispielen – Lautmalerei leicht gemacht.

Auch Reime oder eine regelmäßige Metrik bzw. Prosodie des Geschriebenen rufen beim Lesen einen bestimmten Klang hervor.

Im Italienischen enden alle Wörter auf Vokalen (wenn sie nicht übergebunden werden, zum Beispiel in erneute Vokale). Das macht die Sprache sehr weich. Im Deutschen dagegen gibt es die Auslautverhärtung, so dass -d am Wortende im Deutschen genauso klingt wie -t. Das macht die Sprache eher hart. Möchte man entsprechende Charakterzüge als Assoziation wecken, kann man Namen entsprechend enden lassen.

Und dann gibt es natürlich Liedzitate – allein durch Nennung der Worte hat man, wenn gut gewählt, gleich die Melodie im Ohr. 

SCHREIBKICK: Andere Sprachen und Fachbegriffe

Beitrag zum „The Tempest“-Newsletter 04/2021

Will man in der Fantasy zwar mittelalterliche, aber etwas subtilere Andeutungen machen, kann man sich bei anderen Sprachen bedienen. Sehr hilfreich hierfür sind Wikipedia oder dict.leo.org.

So kann der Stadtpfeifer dann die Kalamaia (alte Bezeichnung für Schalmei) spielen, der Haushund heißt Psiak (polnisch für „Hündchen“), ein roter Außerirdischer kommt vom Planeten Corallo-III.

Auch Gattungsbezeichnungen eignen sich als Namen. So kann ein Meervolk unter König Selachii (der Gattungsname für Haie) das Meer retten, und eine grünüberwucherte Stadt namens Salica ist in der Heilforschung besonders fortgeschritten. (Ableitung von „salix“, Gattung der Weidengewächse; Weidenrinde wird als Heilmittel verwendet.)

SCHREIBKICK: Sich Figuren als Schauspieler vorstellen

Beitrag zum „The Tempest“-Newsletter 05/2021

Wenn man Emotionen in einer Szene noch nicht für sich klar hat, kann man sich vorstellen, man interviewt einen Schauspieler – den Schauspieler, der diese Figur spielen sollte.

Was musste er machen, um in den wichtigen Situationen des Plots / in dieser Situation in die Figur zu schlüpfen? Wie interpretiert er die Figur? Was muss ein Schauspieler (oder der Leser und die Autorin) wissen / vermittelt bekommen, um die Szene spielen zu können?

Das ist um zwei Ecken gedacht, aber manchmal ist es so leichter, Distanz zu schaffen. Und mit Distanz sieht man manchmal besser, worum es eigentlich geht.

SCHREIBKICK: Idiomatische Sprache umdeuten

Beitrag zum „The Tempest“-Newsletter 06/2021


In jeder Sprache gibt es idiomatische Wendungen. Man kann den reichhaltigen Schatz spezifischer Wendungen benutzen, um Spannung, Humor oder das Setting glaubwürdiger und besser zu machen.

Als Beispiel: Ein Völkchen vegetarischer Öko-Gnome denkt den ganzen Tag nur ans Essen.
Durch ein Dimensionsportal in Essen gelangt man in ihre Welt, sie selbst bezeichnen sich als Essener. Man könnte sagen, vom ganzen Essen haben sie nur Mus in der Birne, aber wenn sie Kohldampf haben, ist mit ihnen halt einfach nicht gut Kirschenessen. Sie sind ein humorvolles Völkchen. Schimpft man sie „hohle Nuss“ oder „Pflaume“, finden sie es nur total Banane oder werden zu Kichererbsen.

SCHREIBKICK: „Emo-Plotten“

Beitrag zum „The Tempest“-Newsletter 07/2021

Oft werden beim Plotten Handlung und Hintergrund der Figuren berücksichtigt. Vielleicht dazu noch das Kapitelziel, das Dialogziel oder die Einzelziele aller in der Szene auftretenden Charaktere.

Aber wenn man mal nicht in eine Szene reinkommt, kann man sich zusätzlich einen Emotionsplan erstellen, der durch Sinneseindrücke, Gedanken oder Dialogteile getriggert wird.

Für Bauchschreiber empfiehlt es sich, mit der Start-Emotion zu planen und dann zu schauen, wo diese hinführt. Kopfschreiber finden Inspiration auch in Büchern wie Puglisi/Ackerman: „The Emotion Thesaurus und The Emotional Wound Thesaurus“ oder Hall: „Writing Vivid Emotions“.
 

SCHREIBKICK: Emotionen von emotionslosen Charakteren

Beitrag zum „The Tempest“-Newsletter 08/2021

In der Psychologie gibt es den Unterschied zwischen Emotionen haben, Wahrnehmung der Emotionen und Ausdruck der Emotionen.

Im Schreiben kann man das einerseits durch die Perspektive lösen. Einen „deep point of view“ erreicht man durch Auslassung der Sinneseindrücke (hörte, spürte, sah, wusste) bei gleichzeitiger Formulierung direkter Gedanken (nicht „er hörte, dass es an der Tür klingelte“, sondern „Oh, es klingelt“).

Drei Nuancen:
– „Ich denke, dass ich dich liebe“: emotionslos, Gefühl wird analysiert
– „Ich fühle, dass ich dich liebe“: etwas mehr Emotion, aber immer noch Analyse des Vorgangs
– „Ich liebe dich“: Gefühl

Wenn Charaktere emotionslos dargestellt werden sollen bzw. sich ihrer Emotionen nicht bewusst sein sollen, kann man diese z. B. ins Setting verlagern. Die verletzte Figur setzt sich (in Wort und Gedanken) kommentarlos auf einen Stuhl, aber dieser knarzt jämmerlich, wehleidig, mitleiderregend oder klagend. Oder die Figur beschreibt die Gefühle anderer Figuren um sich herum, aber die Leserin bekommt dies gefiltert mit: Sie bekommt nur die Emotionen gezeigt, die die Figur gerade selbst hat und folglich in andere reininterpretiert.

Man kann weiter nuancieren, indem man nicht oder doch deutlich macht, dass das nur eine Interpretation der Perspektivfigur ist. 

SCHREIBKICK: Präzision

Beitrag zum „The Tempest“-Newsletter 11/2021

In einem seiner Romane beschreibt der gigantische Terry Pratchett einen Raum, in dem alles braun ist. Achtung Spoiler!

Die Wände sind braun, der Boden ist braun, auf einem Bild an der Wand werden braune Hirsche vor einem ungeachtet der meteorologischen Gegebenheiten braunen Hintergrund von braunen Hunden gejagt … Eine Person kommt herein, dasselbe Spiel mit Schwarz, die braune Phase ist also anscheinend vorbei (und scheinbar auch). Die Figur tritt auf einen Teppich mitten im Raum. Fußnote: Er war braun.

Das ist unglaublich witzig, vor allem, weil man zweimal drauf reinfällt. Aber auch nur, weil man weiß, dass der Autor sicherlich 100 Synonyme für braun hätte benutzen können, wenn er nicht absichtlich schlechten Stil hätte schreiben wollen.

Wie kann man aber so präzise schreiben, dass 100 Synonyme rauskommen? Zum Beispiel mit Vergleichen und Metaphern, die der Farbe eine durch die Figur gefärbte persönliche Note verleihen. Je ungewöhnlicher, desto besser. Rot wie Rosen, Kirschen oder Blut kann man eigentlich nicht mehr benutzen, ist total abgelutscht. Wie wäre es mit dem samtigen Rot der Bluteiche, dem glänzenden, prallen, duftenden Rot von Erdbeeren oder einem für ornithologisch Interessierte attraktiven Hahnenkammrot?

Als Übung kann man sich mal 15 Synonyme für eine Farbe ausdenken, vielleicht auch wie unterschiedliche Figuren das sehen würden (mit unterschiedlichem Geschlecht, Alter, Beruf, Hobbys) .

Für den Anfang: rot, gelb, blau.

Für besondere Herausforderungen: ocker, türkis, lila.

Nonplusultra: Als Interessenspiegel für eine Figur, die Tiere/Klamotten/Autos mag …

Da ich das noch nicht ausprobiert habe, würde mich sehr interessieren, ob ocker und türkis vielleicht sogar leichter zu beschreiben sind, weil eh schon ungewöhnlicher. Auf Zuschriften bin ich gespannt!

SCHREIBKICK: Fantasy und Gesellschaftsbezug

Beitrag zum „The Tempest“-Newsletter 12/2021

In unserer Gesellschaft gehört es zum guten Ton, morgens zu duschen, morgens und abends Zähne zu putzen, Deo und Haarshampoo zu benutzen … Alltagssituationen sind zwar nicht spannend für Bücher, können es aber sein, wenn man zum Beispiel plotrelevante Szenen während der morgendlichen Dusche ansetzt. Wer wird daran zweifeln, wenn man sich mal den Film „Psycho“ ins Gedächtnis ruft?

In Fantasy-Welten, die vom technischen Stand unserem Mittelalter ähneln, gibt es aber leider keine Fabriken, die Zahnpasta produzieren. Müssen also alle Fantasy-Charaktere stinken, um glaubwürdig zu sein? Nicht, wenn wir uns an der Fundgrube Mittelalter bedienen.

Zähneputzen zum Beispiel. Um die Zähne von Belag zu reinigen, rieb man sie mit einem Tuch ab, das unter Umständen vorher in Essig getaucht wurde. Bei gröberen Belägen tauchte man das angefeuchtete Tuch in Marmorkalk, Asche oder gemahlenen Bimsstein. Um schlechten Atem zu beseitigen, gurgelte man mit Wein oder Essig, denen bei Bedarf zusätzlich Minze, Nelken, Rosmarin oder Salbei zugesetzt wurde. Nelkenöl ist sogar antibakteriell und entzündungshemmend. Oder man kaute Fenchelsamen, Minze, Majoran oder Petersilie. Und für größere Probleme – nun, im Mittelalter gab es wohl schon Zangen. Allerdings waren Dinge, die Karies, Zahnfleischprobleme oder Verfärbungen verursachen – also Zucker, zu heftiges Zähneputzen oder der Genuss von tonnenweise Kaffee – im Mittelalter eh nicht so verbreitet, nicht in der Oberschicht und erst recht nicht bei den ca. 90 Prozent der ärmeren Gesellschaftsschichten.

Bestimmt gibt es für Waschmittel oder Deo auch ganz tolle, natürliche Alternativen.

Disclaimer: Die o. g. Fakten sind zur Inspiration recherchiert, aber nicht wissenschaftlich überprüft worden. Es kann sein, dass sie nicht alle stimmen. Also bitte nicht zu Hause nachmachen, ohne vorher einen Arzt o. Ä. gefragt zu haben.

Übung
Suchen Sie für Ihre Fantasy-Welt Ersatz für Haarshampoo und Duschen.